Sport- und Gesundheitspsychologie • Yvonne Dathe

Attributionsstile

Ursachen für (Miss-)Erfolg: Wer ist verantwortlich?

Immer wieder höre ich Sportler, insbesondere im Flugsport, Aussagen treffen wie: „Das war doch nur Glück!“ oder "Da hatte ich einfach Pech!" - Doch ist es wirklich so einfach? Sind sich die Sportler / Piloten bewusst, dass sie sich mit solchen Äußerungen selbst schaden? Lass uns zurück zur Leitfrage kommen: Ist sportlicher Erfolg tatsächlich vom Glück bzw. sportlicher Misserfolg vom Pech abhängig?

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Unser Umgang mit Erfolg und Misserfolg

Beim Streckenfliegen mit dem Gleitschirm, Drachen oder Segelflugzeug hängt natürlich einiges von den Wetterbedingungen ab. Wenn die Sonne scheint, der Wind aus der passenden Richtung weht und der Temperaturgradient gute Thermik ermöglicht, sind lange Streckenflüge möglich. Ohne die passenden Wetterbedingungen wird es schwer. So kann schnell der Eindruck entstehen, dass die Streckenflugleistung einzig und allein vom Wetter-Glück/Pech abhängt. 

Wenn ich mir nun die Ergebnislisten von Wettbewerben und von Online-Portalen, wie dem DHV-XC oder dem XContest ansehe, stehen irgendwie immer wieder die gleichen Namen oben auf den Ranglisten. Somit liegt die Vermutung nahe, dass nicht das Glück oder Pech über den Erfolg entscheidet, sondern dass es andere Faktoren sind.

Ursachenzuschreibung

Die Art und Weise, wem wir die „Verantwortung“ zuschreiben, hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Motivation. Mit einem hypothetischen Beispiel möchte ich das näher erläutern. Stell dir vor, du hast zwei Freunde (nennen wir sie Paul und Peter), die beide bei einem der ersten Wettbewerbe einer Ligasaison im Mittelfeld gelandet sind. Ob die beiden motiviert sind, an ihren Fähigkeiten zu arbeiten, hängt stark davon ab, wem sie die Verantwortung für ihr Ergebnis zuschreiben. In der Psychologie spricht man hier von Attributionen, also den Beurteilungen der Ursachen für Ergebnisse.

Nehmen wir an, Paul ist der Meinung, er habe nicht genug Flugerfahrung mit seinem Fluggerät, um das bestmögliche zu erreichen. Außerdem könne er sich noch besser mit Meteorologie auseinandersetzen, um mögliche Thermikquellen schneller erkennen zu können. Mit dieser Erklärung ist Paul motiviert, für den nächsten Wettbewerb mehr zu fliegen, um sein Fluggerät noch besser zu beherrschen und er wird sich wahrscheinlich nochmals mit der Theorie des Wetters auseinandersetzen. Solch ein Attributionsstil ist variabel und liegt innerhalb einer Person.

Attributionsstile

Abbildung: URSACHENZUSCHREIBUNG, IN ANLEHNUNG VON COLE ET AL., 2008

Eine entscheidende Frage bei der Ursachenzuschreibung

Peter hingegen ist davon überzeugt, dass er Pech hatte. Der Führungspulk erwischte noch eine Thermik, die sich vor ihm auflöste, so konnte er den letzten Wendepunkt vor dem Ziel nicht mehr erreichen. Für sein Selbstvertrauen ist diese externe und variable Zuschreibung der Ereignisse förderlich, in der Psychologie wird von einer selbstwertdienlichen Wahrnehmungsverzerrung (self-serving-bias) gesprochen. Er fühlt sich trotz einem mittelmäßigen Ergebnis gut, allerdings wird ihn diese Zuschreibung nicht dazu veranlassen, weiter an sich und seinen Fähigkeiten zu arbeiten.

Eine zentrale Frage lautet: „Was ist kontrollierbar?“

Glück oder Pech sind externe und variable Faktoren, die kaum kontrolliert werden können. Auch das Wetter ist nicht beeinflussbar (extern, variabel), ebenso wie die Aufgabe im Wettbewerb (sofern ich nicht im Tasksetting bin), die stabil und extern bleibt. Selbst interne, stabile Fähigkeiten wie Intelligenz oder andere personenbezogene Eigenschaften sind nicht kontrollierbar. Kontrollierbar hingegen sind interne, variable Aspekte wie Anstrengung, Wissen und körperliche Fitness.

Motivation

Die zugeschriebene Ursache für ein Handlungsergebnis beeinflusst die Motivation. Grundsätzlich kann zwischen „Hoffnung auf Erfolg“ und „Furcht vor Misserfolg“ unterschieden werden. Piloten, die erfolgsmotiviert sind, fühlen sich für ihren Erfolg verantwortlich, während Piloten mit Angst vor Misserfolg sich für ihre Misserfolge verantwortlich fühlen. In unserem Beispiel ist Paul eher erfolgsmotiviert; er sieht mangelnde Anstrengung als Ursache für sein Ergebnis. Dadurch bleibt sein Selbstwert erhalten, und er hat die Hoffnung zukünftigen besser abzuschneiden.

Misserfolgsmotivierte Piloten neigen zu einer selbstwertbelastenden Ursachenzuschreibung. Sie äußern Sätze wie: „Ich habe einfach kein Talent“ (intern und stabil) oder „Ich bin zu blöd dafür, das werde ich nie lernen“ (intern und stabil = mangelnde Begabung). Solche Zuschreibungen führen dazu, dass sie sich schlecht fühlen und wenig motiviert sind, an ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten zu arbeiten.

Lernen von Bernhard Langer

In diesem Zusammenhang denke ich oft an eine Szene mit Bernhard Langer, dem ehemaligen Golfprofi. Es ist schon lange her, aber während eines Golfturniers landete sein Ball auf einem Baum. Der Moderator meinte, der Ball sei verloren. Doch Langer kletterte auf den Baum und schlug den Ball zurück aufs Grün, wo er das Loch mit Par beendete. Ein Reporter sagte nach dem Spiel zu ihm: „Da hatten Sie aber Glück.“ Langer antwortete: „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen: Je mehr ich trainiere, desto mehr Glück habe ich.“

Eine ähnliche Aussage bekamm ich in einem Interview mit Chrigel Maurer: "Ich denke das Glück ist im Endeffekt das Resultat von viel Zuversicht. Wenn man über Jahre mit viel Zuversicht etwas macht, dann bekommst du ein Feeling was geht noch und was geht nicht mehr. Man kann nicht wahllos etwas machen und dann am Boden stehen und sagen „jetzt hatte ich kein Glück“. Man muss schon eine gewisse Erfolgschance sehen. Je häufiger man dieses ausprobiert hat, was noch möglich ist und was nicht, desto besser hast du das Gefühl dafür und hast dann auch Glück."

Die Ursachenzuschreibung beeinflusst, wie wir uns fühlen und welche Erwartungen wir entwickeln. Paul glaubt, dass sein Ergebnis variabel ist, und erwartet daher, dass sich sein Ergebnis verbessert, wenn er sich mehr anstrengt. Hätte ein Pilot jedoch die Erwartung, dass das gezeigte Ergebnis seiner stabilen Leistung entspricht, würde er annehmen, auch in Zukunft ähnliche Ergebnisse erzielen zu können. Die Gefühle spiegeln sich in den Dimensionen innerhalb oder außerhalb einer Person wider. Wenn wir ein erfolgreiches Ergebnis auf Glück (extern) zurückführen, fühlen wir uns zwar gut, sind aber weniger stolz und glücklich als bei einem Ergebnis, das auf unsere eigene Anstrengung (intern) zurückzuführen ist.

Fazit

Wem du die Ursache für deinen (Miss-)erfolg zuschreibst, beeinflusst deine Motivation und dein Empfinden. Wenn du dein Ergebnis auf Glück oder Pech zurückführst, mag das deinem Selbstvertrauen gut tun, jedoch wirst du kaum Motivation fürs Training entwickeln. Gibst du dem Wind, den Organisatoren oder der Schwierigkeit der Aufgabe die Verantwortung für dein Ergebnis, wirst du ebenfalls wenig Motivation für dein Flugtraining aufbauen. Genauso wenig wird es dir helfen, dir einzureden, du seist zu blöd für diesen Sport. Wenn du jedoch die Ursache für deinen (Miss-)erfolg in deiner Anstrengung siehst, wirst du bestimmt Motivation für weiteres Lernen und Üben entwickeln können. Betrachtet man, wie viel Zeit und Energie erfolgreiche Athleten/Piloten investieren, scheint ihr Erfolg stark von der eigenen Anstrengung abzuhängen.

Also frage dich: Was ist dein persönlicher Beitrag zu deinem (Miss-)erfolg? Diese Frage kann ein hervorragender Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit mir sein. 


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